Donnerstag, 22. Juni 2006

Kenia zum ersten, Kenia zu zweiten... und..

... Kenia zum dritten.
Mein RL zögerte kurz, dann sagte er: "Die Kenia" und schaute mich fragend an. "Ja, okay", antwortete ich tapfer, in mir eine Mischung aus Vorfreude und plötzlich aufkeimender Angst.
In der Stallgasse traf ich C., wir redeten kurz, wer wen reitet, ich sah ihre mitleidige Reaktion, denn niemand geht gerne zu Kenia; die Angst nutzte diese Zeit gnadenlos, um sich mit allerlei wilden Gedanken zu schmücken. Als ich mit Sattel und Trense bepackt an der Box stand, war es schon wieder zu spät. Mir wurde heiß und flau, die Gedanken rasten.
Halbherzig machte ich einen Schritt hiein, hatte sofort ihren Hintern vorm Gesicht, ihre Hinterhand zuckte. Wir schafften es wieder nur zu zweit, sie zu halftern, weil ich zu lange gezögert hatte. Sonst macht sie mit einem den Ringelrein-Tanz durch die Box. Sie ist verdammt schnell mit ihrem Hinterteil.
Mit meiner Ruhe wars vorbei. Ich sattelte sie, als hätte ich es mit einem rohen, mit Schlangengift gefüllten Ei zu tun. Übervorsichtig. Zu allem Überfluss gesellte sich ein neugieriger Spaziergänger hinzu und war so wahnsinnig, die Hand durch das Boxengitter zu strecken, obwohl ich mehrfach sagte: "Achtung, die beißt!" Das störte ihn gar nicht. "Ja, die mögen das nicht, wenn man sie da vorne (Anm. des Verfassers: an den Nüstern) anfasst" und führte trotz seiner Worte wieder die Hand gefährlich nahe an Kenias zickiges Maul. Ach ja? Die mögen das nicht? Curry schmelzt dahin, wenn ich ihm die Nüstern kraule, aber gut. Ich ließ ihn in dem Glauben, er konnte ihn ja ohnehin nicht davon abhalten, eine Amputation zu riskieren. Beim Trensen wurde Kenia etwas ruhiger - und ich auch. Als ich endlich aufgesessen war, erst Recht.
Schon nach wenigen Runden wurde sie immer weicher und geschmeidiger. Es ist schon merkwürdig - sobald ich oben sitze, ist die Angst verschwunden und die Sache läuft. Wir arbeiteten hart, der Schweiß lief mir in Strömen herunter. Auch Kenia bekam einen nassen Hals und Bauch.
Das Hufe auskratzen ließ sie willig über sich ergehen. Ich war ko und abgekämpft und hatte keine Lust mehr, Angst zu haben. C. half mir, Kenia abzuduschen. Sie hielt sie am Halfter fest, ich stellte den Strahl ganz weich ein und begann vorsichtig an den Hufen und Fesseln. Dabei kamen wir ins Plaudern, redeten über dies und jenes, während ich diese Zicke wie nebenbei mit dem kühlen Wasser verwöhnte. Ich traute meinen Augen kaum, als ich den letzten Strich mit dem Schweißmesser getan hatte. Zum ersten Mal hatte sie ihre Ohren nach vorne gerichtet, hielt ihren Kopf ruhig, zuckte nicht. Sie sah aus wie ein ganz normales Pferd.
Ich nutzte diese Gelegenheit und ging draußen noch eine kleine Runde mit ihr auf dem Hofgelände spazieren. Das entspannte auch mich. Es war so friedlich, die laue Luft, der Geruch von Gras und Heu und Pferd, das langsam verlöschende Licht eines heißen, schwülen Tages.
Ich glaube, das Geheimnis war, dass ich sie kurz fast vergessen hatte. Als ich mich mit C. unterhielt, hatte ich keine Gedanken frei für Angst und Gefahren. Ich hatte mit den Händen zu tun, war mit dem Kopf aber abgelenkt (Multi tasking eben...). Ich hatte Kenia damit signalisiert, dass alles in Ordnung ist. Ich kümmerte sich um sie, aber ich war nicht auf jede Regung von ihr fixiert. Ich tat es, als habe ich es schon tausend Mal getan.

Für das nächste Mal habe ich mir ganz fest vorgenommen, ihr alleine das Halfter anzulegen. Schnell und entschlossen, aber ruhig. Ich muss über diesen Panik-Punkt einfach drüber kommen.

Zwischenhoch

Dank des schlechteren Wetters hatten wir heute Morgen einen erstaunlich munteren Hund. Offenbar haben die Spritzen angeschlagen. Dennoch ist er verändert. Er klebt geradezu am Herrchen, verfolgt ihn auf Schritt und Tritt. Sobald er ein paar Meter gelaufen ist, beginnt er zu hecheln. Seine Augen aber sind hellwach.

Ich habe die vierte Nacht kaum geschlafen und wieder (oder immer noch?) Kopfschmerzen. Fühle mich müde und bedrückt. Ich lasse alles fallen und stoße überall an. Meine Augen brennen. Habe keine Lust, mit jemand zu reden. Alles keine guten Zeichen.
Obwohl ich mich damit noch gar nicht auseinandersetzen möchte, beschäftigt mich unterschwellig immer die Frage, wie es "danach" weitergehen soll. Dass es weitergeht, weiß ich nur all zu gut, und um mich selbst mache ich mir weniger Sorgen. Ich stecke noch mitten in der Trauer um meinen Vater. Zynisch könnte ich sagen: Ich habe Übung darin. Es tut ständig weh, also kann es auch noch mehr weh tun. Irgendwie habe ich durch den plötzlichen Tod meines Vaters gelernt, Dinge hinzunehmen.

Vielmehr denke ich bei meinen Sorgen an Mammutjäger. Er hat so viel Verluste akzeptieren müssen in den vergangenen Jahren. Verluste verschiedenster Art und Weise. Der Hund ist das letzte Wesen aus seinem alten Leben, das ihm treu geblieben ist. Wie kann ich ihm nur beistehen?

Aber vielleicht ist es auch viel zu früh für diese Fragen.

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Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

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