Dienstag, 22. August 2006

Ein Jahr ohne Dich

Vor einem Jahr... warst du plötzlich nicht mehr da.
Nur noch ein Gedanke, ein Geruch aus der Erinnerung, ferne, kaum greifbare, verblassende Geborgenheit. Auch dein Zorn, dein Ehrgeiz und der Schrecken, den du manchmal bei mir verbreitet hast, waren weg.
Einfach weg. Ich werde deine Stimme nicht mehr hören, nicht mehr in deine Augen schauen können, die meinen so verdammt ähnlich waren. Mich nicht mehr von dir und deinem kratzigen Räuber-Hotzenplotz-Bart auf beide Wangen küssen lassen. Mit deinen Sportlehrer-Pranken, die so wunderschön sauber schreiben konnten, hast du dabei meinen Kopf fest gehalten, als sei er eine zerbrechliche Vase. Dann musste ich immer an Max Frisch denken, unser beider Lieblingsautor, und an die Stelle, wo Homo Faber Sabeths Kopf hält. Den Kopf seiner Tochter. Du auch?

Ich werde das nie erfahren. Aber es gibt so manches, das ich inzwischen klarer sehe und verstehe. Ich verstehe nun, warum du in die Fotalben von mir gerne Bilder von hübschen Mädchen meines Alters geklebt hattest, die auch Tina hießen - aus Zeitschriften und Magazinen. Ich dachte immer, was soll das nur, die sind viel hübscher als ich, richtige Mädchen, nicht so etwas wie ich, mit kurzen Haaren und Brille und komischen Klamotten.
Ich hab das nie verstanden und mich manchmal gefragt, ob du lieber sie als Tochter gehabt hättest und sie deshalb da reinklebst.
Jetzt habe ich die Bilder noch einmal angeschaut und erkannt, dass diese fremden Mädchen mir gar nicht unähnlich sind. Und mir ist klar, dass ich für dich so hübsch war wie diese Mädchen, dass du mich in ihnen gesehen hast, obwohl ich mich selbst unbedeutend und hässlich fand.
Es tut mir Leid, dass ich das jetzt erst verstehe. Wie so vieles.

Ach, Papa. Du warst mein Gott, mein Held, mein Beschützer. Später hast du mir das Fürchten gelehrt, aber mich immer geliebt. Das weiß ich. Ich weiß es, jetzt endlich.

Wo bist du?
Kommst du mich bald mal wieder in meinen Träumen besuchen? Ich sitze hier ganz alleine und es tut so weh, und trotzdem habe ich das Gefühl, dass du so weit weg gar nicht sein kannst.
Ich drehe im Zimmer herum, schau zur Tür raus, weil ich hoffe, irgendetwas zu erkennen. Eine Art Luftveränderung.
Nein, es ist nur mein Herz, das ganz genau weiß, dass du da bist.

Aber ich glaube, das reicht völlig aus.
Du bist bei mir und ich bin bei dir. Für immer.

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Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

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