Mittwoch, 11. Januar 2006

Sex-Blogs&Verbalerotik

Ich bin ja nun noch eine recht jungfräuliche Bloggerin und erst seit kurzem dabei. Und da wundert es mich stets von Neuem, wie viele Menschen ihre Blogs doch dazu nutzen, ihre Sex-Eskapaden, Sex-Erlebnisse, Sex-Wünsche, Sex-Fantasien nieder zu schreiben. Detailliert und immer wieder, Tag für Tag. Oft sind sogar diese Sex-Blogger mit die eifrigsten Blogger, obwohl es im Grunde stets um Ein- und das Selbe geht. Irgendwas wird irgendwo reingesteckt. Mal der Dödel in die Momo, dann in den Popo oder in den Mund, dann gibt es ja auch noch Vibratoren und Liebeskugeln, die man an allen möglichen Stellen unterbringen kann, auch die Gruppenstärke varriiert, ebenso die Kombination, Weibchen mit Weibchen, Weibchen mit Männchen und Weibchen, Weibchen alleine und so weiter und so fort... Dazwischen werden G-Punkte gesucht oder über weibliches Ejakulat gesonnen und möglichst viele Bilder zusammen gesucht, die Dödeln oder Momos ähneln, die irgendwo drin stecken der was drin stecken haben. Nicht wirklich Pornografie meistens, aber zumindest was für Pornografie-Einsteiger und Voyeuristen. Natürlich sind Menschen als alte Sammler und Jäger für Schlafzimmer-Einblicke empfänglich. Ich las also den ein oder anderen Eintrag und stolpere auch immer wieder in neue Sex-Blogs rein, ganz unverhofft, weil die Überschriften in die Irre führen. Bei manchen las ich fast regelmäßig mit und finde die ganze Angelegenheit immer unspannender. Bis ich mich irgendwann fragte, ob es in diesen Leben dort denn nichts anderes gibt? Es hat eher die Wirkung von 0190er-Werbung spätabends im Fernsehen auf mich – lusttötend statt lustfördernd. Die Menschen dahinter verblassen. Es ist zu offen, zu plakativ, zu beifallheischend.
Nun vermutet man hinter solchen Worten wie meinen eine verklemmte Mittvierzigerin, die selbst noch nix erlebt hat, unter Orgamusschwierigkeiten leidet und in jenen Blogs ihre unerfüllten Wünsche erahnt. Und sie deshalb verdammt. Ha, und wenn die vermutete verklemmte Mittvierzigerin sich daraufhin erst anfangen würde, zu verteidigen – wie wirkte denn das? Wenn jemand sagt: „Ich habe sehr wohl guten Sex, und auch oft, jawohl“, dann glaube selbst ich ihm nicht so recht. Na? Klingelt es? Genau. Das ist nämlich zu offen. Es ist schon ein Bekenntnis, wenn auch vielleicht in Wirklichkeit bei vielen Menschen nur ein Lippenbekenntnis, Flucht nach Vorne. Erotischer wäre ein rätselhafter Satz, aus dem nicht wirklich etwas zu lesen ist, garniert mit einem frechen Grinsen. Finde ich. Für mich werden Menschen uninteressant, wenn sie verbal die Beine breit machen und jeder mal reingucken darf. Und zwar aus der Makroperspektive. Klar haben auch diese Menschen noch ihr ein oder anderes Geheimnis. Aber vieles ist zu offensichtlich. Für sie selbst ist es sicher ein Kick. Es kann reizvoll sein, seine Fantasien nieder zu schreiben. Man kann sie vielleicht durchleben dabei. Und Erlebnisse aufs Neue erspüren.
Nur für mich selbst isses zu banal. Zumal das erotische Schreiben eine hohe Kunst ist, die selbst die meisten anerkannten Schriftsteller nicht beherrschen. Wer was wirklich Gutes in der Richtung lesen möchte, muss lange suchen. „Angst vorm Fliegen“ kann ich empfehlen, und zwar aus dem einen Grund, der mir in diesen Blogs fehlt: Es ist verdammt gut geschrieben und lebt auch von den Szenen, in denen nicht irgendwas irgendwo rein gesteckt wird. Ein intelligentes, lebensnahes, humorvolles und frappierend ehrliches Buch von einer mutigen Frau. Die nicht angibt, sondern lebt. Mit allem, was dazu gehört. Und das ist eben mehr als nur Steckerle spielen.
Hautnah

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Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

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