Mittwoch, 25. Januar 2006

Missverstanden

Nein, ich lasse mich nicht hängen. Nein! Auch, wenn es zwischendurch so aussehen mag. Stattdessen mache ich wieder zu viel auf einmal. Es ist das alte Dilemma: Ich bin zu schnell. Das, was andere im seelischen und körperlichen Gleichgewicht in zwei Stunden machen, erledige ich in seelischem und körperlichen Ungleichgewicht in 40 Minuten. Aber ich bin danach genauso müde. Vielleicht sogar erschöpfter als die anderen. Ich finde dieses System auch nicht gut. Aber ich kann nicht langsam arbeiten, schon gar nicht langsam schreiben oder langsam denken... Ich kann ja ohnehin immer nur eine von diesen vielen Formulierungen für einen möglichen Satz aufschreiben, die zeitgleich in meinem Kopf Ringelpiez mit Anfassen spielen.
Doch daraus entsteht der Eindruck der Faulheit oder zumindest der Zerstreutheit. Unorganisiertheit. Der Schreibtisch voll, die Tastatur klappert - und eine halbe Stunde später hat die Olle Kopfschmerzen und liegt blass im Bett. Was für andere ein normaler Acht-Stunden-Tag ist, würde ich in vier erledigen, aber danach müsste ich ins Sanatorium, wohingegen die anderen noch mit den Freundinnen ausgehen, sich im Fitnessstudio shapen und abends ihrem Herzeliebchen was kochen.
Andere würden sich auch auf ein großes Projekt beschränken. Ich erlaube mir das nicht. Einen Autorenauftrag zu erledigen für ein über 100-seitiges Sachbuch ist kein Pappenstiel. Ich müsste viel mehr Zeit investieren. Viel mehr Ruhe. Mir viel mehr anlesen. Ich habe kein einziges Buch darüber gelesen, stütze mich nur auf meine Recherchen und das, was ich so aufschnappe. Das ist eigentlich Wahnsinn. Das hält man nervlich gar nicht aus, wenn man genau darüber nachdenkt. Mein Hirn saugt auf wie ein Schwamm, wenn ich recherchiere, und danach denke ich, ich müsste mal ganz schnell für sieben Stunden in ein Sauerstoffzelt. Und zwei Tage einfach nur schlafen. Ich hab nie gelernt, etwas bedächtig zu tun. Ich vergesse, zu essen und zu trinken und mich zu bewegen.
Ich bin dann irgendwie eine ganz grässliche, ungenießbare Person. Vielleicht sollte ich einfach so konsequent sein und sagen: "Okay, jetzt nur dieses eine Projekt. Und zwar richtig. So, wie es sein sollte. In Ruhe. Bedächtig. Planmäßig." Und vor allem dabei das Leben nicht vergessen.
Aber selbst dann würde ich ja doch nur täglich zirka vier Stunden am Schreibtisch sitzen, zwar im Schaffensrausch, aber von außen betrachtet würde es nach Dolce Vita aussehen. Jeder würde sagen: Wow, hat die es gut. So ein Leben möchte ich auch mal haben. Wenn du doch so viel Zeit hast, dann kannst du doch auch noch das machen und dieses, Wohnung aufräumen, Menus zaubern, Kontakte pflegen, dich um die Firma deines Freundes kümmern, Babys auf die Welt bringen und und und...
Ihr wisst echt nicht, wie es in mir aussieht.
Try walking in my shoes. You'll stumble in my footsteps.

P.S. Übrigens ist das der Grund, weshalb ich nie wieder in eine Festanstellung will. Da spätestens nach fünf Stunden die Arbeit erledigt war und ich innerlich so ko wie die anderen nach zehn Stunden, bekam ich jeden Nachmittag mein Tief wegen Unterforderung. Nur da sitzen, Arbeit vortäuschen, körperlich erschöpft sein, aber geistig immer noch hungrig tut niemand gut. Und früher oder später wird einem ohnehin jemand Faulheit vorwerfen... Arbeit wird eben in diesem Land in Stunden gemessen und nicht in Ergebnissen.
engelsflug - 25. Jan, 12:24

Dein letzter Satz trifft den Nagel auf den Kopf...

street - 25. Jan, 14:58

off topic

ich kann ihre bedenken bezüglich bildveröffentlichungen sehr gut nachvollziehen. aber "umweltphoto" hat recht, das internet wäre leer, würden nur - mehr oder weniger - erlaubte bilder online gestellt werden.

beispiel: wer fragt eine nigerianische mutter, deren kind auf der titelseite des stern landet, ob sie das möchte. in der regel weiß sie noch nicht einmal was davon. der fotograf verdient gutes geld, die frau nagt weiterhin am hungertuch.

wo fängt persönlichkeitsrecht an, wo hört es auf. eine person zu verunglimpfen, ins schlechte licht zu rücken, ihn dem spott preiszugeben ist verwerflich und gehört verfolgt. das andere - gut, es wird eine menge wirbel gemacht, im moment.

vieles ist überspitzt. schauen sie einmal hier:

http://www.photoblogs.org/

dort sind unmengen photoblogs gelistet. 80% davon sind voll mit streetbildern. street, die straße, das leben - that|s it. ob es korrekt ist - ich kann jedes meiner fotos vertreten - grundsätzlich. mag es einer nicht, gut, dann geht es offline.

die besten streetphotografen, deren bilder unzählige bücher schmücken haben mit größter sicherheit nicht einmal 10% der mensch gefragt.

ich habe gestern ein paar schwarze straßenjungen fotografiert. sie haben sich bereitwillig vor die kamera gestellt, habe das victory zeichen in die linse gehalten. sie waren mächtig stolz, dass wir sie angesprochen haben. sie werden auch bilder bekommen. glauben sie mir, für solche jungs ist das eine ehre, etwas tolles, wenn andere sich für sie interessieren. wenn sie einmal postitiv im mittelpunkt stehen können.

streetphotography ist das leben pur. ohne weichzeicher, ohne pfusch. wäre schade, wenn es irgendwann sterben müßte .....

mondsüchtig - 25. Jan, 15:15

Um Himmels willen, das war auch nie meine Absicht! Mir persönlich gefallen diese Fotos tausendmal besser als der Mist, der in den Tageszeitungen oft abgedruckt wird - so nach dem Motto: Sind auch alle Männergesangsvereins-Glatzen zu sehen, damit es morgen keine Beschwerden hagelt, weil dem Sänger XY auf dem Foto das rechte Ohr abgeschnitten wurde? So ein Foto wie Ihres (ich tu mir ja sowas von schwer mit siezen im Internet...) würde mir keiner abkaufen für die Tagespresse. "Das ist grenzwertig", würden sie sagen, vielleicht sogar "unbrauchbar". Dabei drückt es wesentlich mehr aus als so eine Standardaufnahme. Ich würde gerne mehr solcher Bilder in der Tageszeitung sehen, aber das ist wohl eine Illusion.
Übrigens habe ich immense Hemmungen, fremde Menschen zu fotografieren. An sie heranzutreten. Dabei finden gerade Kinder das meistens total spitze. Fotografiere viel in Schulen, und die sind irgendwann völlig wild darauf, aufs Bild zu kommen. Die Natürlichkeit geht dann allerdings schnell flöten...
P.S. Trotzdem weiß ich nicht, ob ich es toll fände, irgendwann auf einer Seite mein Gesicht zu sehen, wie ich mich gerade kritisch in einem Schaufenster beäuge oder mit irr-verzücktem Lächeln im Gesicht zu einer verlausten Straßenkatze niederknie - au weia... Da gäbs wohl so einige gefundene Fressen für Street-Fotografen... ;-)) Es ist wohl letztlich der Sensibilität des Fotografen überlassen, was er dann ins Netz stellt und was nicht.
street - 25. Jan, 15:54

ich habe kein problem

mit dieser form der diskussion. ich habe sie schon 100mal geführt. und recht haben sie. das von mir eingestellte bild wäre nichts für die zeitung, wenn man die leute nicht gefragt hätte - im nachhinein.

wissen sie, ich mache das anders. ich habe keine kleine, sehr unscheinbare kamera. damit sind situationsschüsse garantiert. ich nehme sie nur, wenn es anders nicht machbar ist, um die situation nicht zu zerstören.

dann gehe ich hin zu den leuten, zeige ihnen das bild auf dem display. erstaunte gesichter, wann/wo/wie ich das bild gemacht habe. dann die frage, ob sie sie ein problem mit veröffentlichung etc. haben. in der regel kein problem. sicherlich, ich müßte mich noch schriftlich absichern. tue ich nicht, aber bis jetzt gab es noch keinen streit deswegen.

und wenn sie sich zu einer katze bücken und die situation hat was, dann werden sie erstaunt sein, wie sie dabei rüberkommen.

glauben sie mir, es ist alles viel einfacher als gedacht. ein nettes wort, ein lächeln am rechten platz, eine visitenkarte mit telefon und emailadresse für eine bildkopie - sie sind im boot :-)
mondsüchtig - 25. Jan, 16:01

Schriftlich absichern muss man sich meines Wissens gar nicht. Ich mache auch nur eine mündliche Rückversicherung, sonst wäre das gar nicht zu bewältigen. Aber ich bin auch eigentlich - obwohl großes Interesse an künstlerischer Fantasie und Beinahe-Kunststudium - ein absolut Beginner. Ich muss es machen, um wirtschaftlicher zu arbeiten (leider!!). Meine Profession ist es nicht, sprich: Ich habe es im Gegensatz zum Schreiben nicht gelernt, bin Autodidakt und in punkto Technik eine typisch weibliche Katastrophe. Insofern fehlt mir beim Fotografieren vor allem das selbstbewusste, souveräne Auftreten. Und zur künstlerischen Fotografie ist es noch ein langer Weg... Heute Abend muss ich übrigens dudelsackspielende Schotten ablichten. Ob ich mal unter den Rock fotografieren sollte... ? ;-))))
mondsüchtig - 25. Jan, 16:04

Freud ließ grüßen...

Künstlerische Fotografie sollte es heißen und nicht Fantasie... schöner Verschreiber. ;-))
street - 25. Jan, 16:07

sie machen sich viel

zuviele gedanken. einfach machen :-)
ich kann ihnen versichern, dass ich weder das schreiben, noch das fotografieren gelernt habe. ich mache es schon seit jahren, ja sogar seit jahrzehnten und ich leben irgendwie ;-) davon.

man muß dinge nicht gelernt haben. die wahren künstler sind entstanden. schauen sie sich lagerfeld an. all das, was er kann hat er durch TUN erlernt er hat nie eine modeschule von innen gesehen - sein letztes interview war sehr interessant.

machen sie einfach und die sache mit dem rock - lächeln sie, zeigen sie charm und witz. sie sind eine frau - spielen sie mit dem, was sie haben - haben sie einfach mut!

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