Der ganz normale Wahnsinn

Mittwoch, 25. Januar 2006

Der Duft der Frauen

Eben, beim nachmittäglichen Gassigang mit dem Hund, kam uns auf dem Trottoir eine Frau entgegen. Um die 65, gepflegt, aber fern jeglicher erotischer Ausstrahlung. Strickrock in Beige - wahrscheinlich teure Wolle - bis zu den Knöcheln, hüftlange Jacke in einem anderen Beigeton, brauner Schal, kleines dunkles Mützchen auf ihren grauen, kurzen, gestuften Allerwelts-Haaren. Eckige goldene Brille, in der Hand eine Einkaufstasche.
Meine leider viel zu feine Nase witterte es schon, bevor sie an mir vorüberging. Sie trug "mein" Parfum.

Jetzt bin ich sehr, sehr (sehr!) verunsichert.
Duft

Dienstag, 24. Januar 2006

Nicht nett

Gerade flutschte folgende Abwesenheitsmeldung einer Kollegin, die ich dringend etwas fragen müsste, in mein Mail:
"Bin gerade den Schnee genießen. Ab Montag, 30. Januar, sitze ich wieder am Schreibtisch."
Gehts nicht bisschen sachlicher? Hm? Muss man die armen arbeitenden Mitmenschen, die wie ich bis April von Urlaub oder Schneefreuden nur träumen können, auch noch neidisch machen? Das finde ich nicht nett. Und kollegial schon gar nicht. Pfff. Schnee genießen. Sehr professionell.

P.S. Am Freitag fahren wir vielleicht auf die Boot nach Düsseldorf. Am besten formuliere ich für diesen Tag folgende Abwesenheitsnotiz:
"Wir suchen gerade unsere neue Yacht für jene heißen Sommertage aus, an denen Sie schwitzend am Synthetiküberzug ihres Bürostuhls festkleben und sich schmerzhafte Furunkel in Ihren Arschfalten bilden und wir mit 300 PS und Champagner im Glas über das glitzernde Wasser gleiten. Bitte wenden Sie sich an meine Kollegen - ach nee, habe ja keine, bin ja freiberuflich. Bätsch! Kann mich auf die Couch legen, wann ich will und hab eine Toilette ganz für mich alleine! Ich kann jederzeit Feierabend machen und so lange schlafen, wie es mir beliebt. Also versuchen Sie es doch einfach morgen noch einmal. Wenn mir danach ist, antworte ich."(Ach, schön wäre es...)

Du liebst mich nicht

Gestern Abend, nach dem Essen. Mammutjäger will sich ein Eis machen. Übergossen mit Eierlikör (bäääh) und garniert mit Früchten.
Ich: "Stopp! Hast du nicht gesagt, du willst abnehmen?"
Er schaut auf seinen kleinen Bauchansatz, der zugegebenermaßen kaum zu sehen ist, aber dennoch existent. Wir wissen es beide.
Er: "Aber..."
Ich: "Nix da. Du willst keine Schokolade mehr im Haus haben, ich Hungerhaken muss das akzeptieren, obwohl ich mir ein Leben ohne Schoki nicht vorstellen kann, aber nun willst du dir trotzdem ein dickes Eis machen. Nix da."
Er: (gespielt) "Du liebst mich nicht mehr."
Ich: "Seit wann spielt Liebe in unserer Beziehung eine Rolle?"
Er macht sich ein Eis ohne kalorienreiche Zusätze und setzt sich mir gegenüber.
Er: (halb ernst) "Naja, es spielt schon ein bisschen eine Rolle, oder...?"
Ich: "Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich dich liebe?"
Ich lege die Hände auf meine Wangen, um mein Gesicht ein bisschen zu verstecken. Ich muss ununterbrochen grinsen.
"Ich lieb dich nicht", sag ich leise und trotzig und gucke ihn unverwandt an. Er grinst kopfschüttelnd zurück.
"Du bist mir ne Marke", sagt er gelassen und löffelt zufrieden sein Eis. Das hat mein Papa auch immer zu mir gesagt. Es ist Ewigkeiten her.

Vielleicht schaffe ich es ja irgendwann, das "nicht" am Ende des Satzes wegzulassen.

Montag, 23. Januar 2006

Kleines Mädchen

Heute Morgen zwischen sieben und acht, draußen geht die Sonne in einem eisigkalten blauen Himmel auf und stiehlt sich durch die Ritzen unseres Rollladens. Ich müsste aufstehen. Schon längst. Widerwillig setze ich mich auf und sehe neben mir diesen denkenden, ruhenden Mann. Entspannt, auf dem Rücken, wieder mal über irgendeine Konstruktion nachsinnend. Die Augen halb geschlossen und mindestens so blau wie der Himmel. Mensch gewordene, gut riechende Souveränität.
Sofort wird mir kalt, als ich da so sitze. Der Hund schläft auch noch und seufzt schwer. Da, direkt neben mir, ist Wärme und Ruhe und Schläfrigkeit und.... wups, bin ich wieder in der Horizontalen, schiebe mir mit geübter Handbewegung sekundenschnell die Decke über die Ohren und drücke meine Nase in seine Achselhöhle. Sofort legt sich sein Arm um meine Schultern. Hier ist es schön.
Ich (quengelig): "Ich mag nicht aufstehen."
Er: - - - - (denkt weiter über seine Konstruktion nach)
Ich: "Ich hab keine Lust aufzustehen, mich anzuziehen, zu arbeiten, auf Termine zu gehen..."
Er: "Wozu hast du denn überhaupt Lust?"
Ich muss kurz überlegen.
Ich: "Kuscheln. Lesen. Malen. Kuchen backen. Reiten..."
Er: "Bist halt ein kleines Mädchen."
Ich konnte ihm nicht widersprechen.
KleinTina1

Mutterinstinkt

Ich war schon heute Nacht schlecht gelaunt. Im Halbschlaf. Irgendetwas war mir im Traum über die Leber gelaufen. Ich wachte heute Morgen auf mit der Vorahnung, dass etwas passiert, mit dem ich nicht umgehen kann. Es passierte auch. Ein Brief von meiner Mutter, der sich knarrend aus meinem Fax befreite. Sie schreibt, dass ich ihr fehle. Wenn mir jemand so etwas schreibt, werde ich butterweich. Aber sie ist sich auch wie immer keiner Schuld bewusst. Oder Verantwortung. Oder eines Fehlers. Einen kurzen Moment war ich dennoch versucht, alles zu begraben, zu vergessen, wieder einmal und wie so oft "neu" anzufangen. Um dann wieder in einigen Wochen einen weiteren Tiefschlag zu bekommen, an mir und der Welt zu zweifeln und tagelang daran zu knabbern. Ich hab mich davor bewahrt, obwohl mir ein Kloß im Hals saß und ich so gerne nachgegeben hätte. Aber ich will einen solchen Satz auch nicht ignorieren. Er ist wie ein Diamant, selten, wertvoll, aber auch verdammt hart.
Ich brauche noch Abstand. Denn muss ich beibehalten. Er ist mühsam erkämpft, nicht gegen sie, sondern gegen meine eigenen Gewissensbisse. Ich könnte schon selbst mehrfache Mama sein und habs nie gelernt, mich gegen meine eigene abzugrenzen. Sie ist der Mensch, der mir am meisten wehtun kann. Ich hab mich noch immer nicht gelöst, aber ich war die vergangenen Tage auf einem guten Weg.
Ich werde zurück schreiben. Aber die Grenzen bleiben erst einmal bestehen. Ich hatte doch gerade erst angefangen, ein bisschen loszulassen... Wahrscheinlich hat sie das gespürt. Mutterinstinkt eben.

Samstag, 21. Januar 2006

Ich möchte gerne meinen Nachbarn umbringen...

... seit gestern Nachmittag hat er seine Enkelkinder zu Besuch, mal wieder, und die haben nix Besseres zu tun, als den ganzen Tag und fast die ganze Nacht auf meinem Kopf herumzutoben, Sachen herunterzuschmeißen, im Treppenhaus zu lärmen, herumzuplärren...
Woher nehmen die nur die Energie? Und wie halten Oma und Opa das selbst aus? Und warum sagt keiner was? Muss ich mich wieder unbeliebt machen und am Ende als die "kinderlose Frau" von untendrunter dastehen?
Ich mag Kinder, aber so weit ich beobachtet habe, heißt Kindsein nicht, alles zu dürfen und den ganzen Tag Lärm zu machen. Oh Mann. Das nervt.

Freitag, 20. Januar 2006

Nass

Ganz plötzlich warf sich die erste Böe an die schrägen Fenster. Durch die dicken Hauswände konnte ich das Prasseln der schweren Regentropfen hören, die sich ohne Vorwarnung aus einem mächtigen, schwarzen Wolkenband entluden. Sturm. Hagel. Das Pfeifen des Windes. Ich liebe das einfach - wenn ich denn drinnen sitze, im Geborgenen, in der Wärme.
Mein Katerchen war verwirrt angesichts dieser jähen Wetterkapriole, saß an der Balkontür und starrte gebannt nach draußen. Mein Handy sendete mir auf einmal schöne Kurznachrichten, als hätte der Sturm Gedanken beflügelt. Dabei kam es mir vor, als habe er nur hier gewütet, in meinem kleinen Leben. Und nirgendwo sonst. Um 103 Quadratmetern im fünften Stock herum. Es hat sich etwas bewegt. Irgendwie war ich kurz so richtig glücklich.
Jetzt ist es wieder still. Der Himmel schweigt sich aus. Und ich warte auf die nächste kleine Sturmfront.
Es wäre doch wunderbar, heute Nacht im Bett zu liegen und den Regentropfen zu lauschen.
Sie wandern mit in meine Träume, und in diesen Träumen bin ich draußen, ich friere nicht, verkrieche mich nicht, nein, ich stehe mitten im Sturm und bin einfach DA.
Regen

Date

Da war dieses Date heute morgen. Mit einem Menschen (w), den ich wirklich gerne mag. Wir mailen fast jeden Tag. Wir haben die gleichen Interessen - verbringen unsere freie Zeit am liebsten auf irgendeinem sturen Schlachtross. Wir haben gefrühstückt, erzählt, gelacht.
Und am Schluss stand ich dann wieder da wie bestellt und nicht abgeholt und wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte. Eigentlich kennen wir uns zu gut, um einfach so Tschüss zu sagen. Ohne eine Geste. Aber ich hab mich mal wieder nicht getraut, obwohl ich gerne würde. Wann verdammt noch mal werde ich es lernen, auf Menschen zuzugehen? Nur ein einziges Mal einen Menschen von mir aus zu umarmen? Was wäre denn daran so schlimm? Es ist nicht mal die Angst, abgelehnt und weggedrückt zu werden. Es ist die Angst, dass ich dem anderen unangenehm bin. Dass er nicht mit mir in Berührung kommen will. Am liebsten wäre ich manchmal nur ein flatternder, sphärischer Geist, von dem niemand erwarten kann, dass er solche Dinge tut wie jemand umarmen.
Sorry, xxx, ich hab das einfach nicht gelernt. Ich mag dich. Ich würd dich gern zum Abschied drücken. Aber man muss mich schon packen und zu meinem Glück zwingen. Und beim nächsten Mal ist es dann schon viel einfacher für mich.
Meine Ausstrahlung ist irreführend. Ich bin nicht kühl und distanziert. Ich kann mich nur nicht überwinden, jemand so nahe zu treten. Das gabs bei uns früher nicht. Meine Eltern haben es erst später wieder eingeführt. Da waren wir schon erwachsen und es machte keinen Sinn mehr.

Jetzt habe ich Angst, mich falsch verhalten zu haben, irgendwas Falsches getan zu haben, nicht genügt zu haben. Du lächelst mich dann immer so lieb an, wenn wir uns verabschieden, und ich komme mir schäbig vor, wenn ich einfach nur die Hand hebe und winke.
Warum ist Nähe so verflixt schwer. Warum begebe ich mich bei Tieren sofort in Schmuse-Haltung und bei Menschen ist es ein Kampf gegen abertausend Ängste.
Dann gibts die wenigen, bei denen ich mich von Anfang an sicher fühle. Ein, zwei, drei in meinem Leben. Mehr nicht. Männer waren es. Wo ich ganz genau weiß: Die tun mir nix. Vor allem weiß ich aber: Denen kann ich auch nix tun. Denen kann ich mich zumuten. Eine wundervolle Seltenheit. Und ich kann durchatmen.

Loslösen

Das stelle ich wieder mit Erstaunen fest: Ich kann mich schlecht von Menschen lösen. Manchmal gar nicht. Und zwar dann, wenn ich mal Vertrauen zu ihnen hatte - was nicht oft geschieht. Aber wenn, dann verhalte ich mich wie ein wildes Tier. Einmal gezähmt, erkenne ich meinen Menschen immer wieder und fühle (fast) immer das Gleiche, wenn ich ihn sehe oder wittere. Instinkt. Der Kopf schreit etwas anderes. So rationale Dinge wie "Das hat doch keinen Sinn, diese Erfahrung hast du zu häufig mit diesem Menschen gemacht, um es noch einmal zu probieren. Spar dir die Mühen. Es ist Zeitverschwendung. Dieser Mensch mag dich vielleicht, aber er hat kein Interesse, Zeit mit dir zu verbringen. Etwas zu geben." Und ich zwinge mich, gegen meinen Instinkt zu handeln. Schweige. Obwohl ich mich gerne melden würde, ein Lebenszeichen gebe - auch wenn ich das später bereuen mag. Wenn ich zurück auf dem Boden der Realität bin und am eigenen Leib erfahren habe, dass es tatsächlich keinen Sinn macht. Man muss mich ziemlich oft enttäuschen - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes -, bis ich das Vertrauen verliere...
Aber wenn es mal tatsächlich weg ist, kommt es nie wieder.
Wolf

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Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:08

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